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Verzögerung beim Bahnprojekt Wunderline: Bauprobleme verschieben Start auf Ende 2025
Noch immer ist die neue Friesenbrücke nicht fertig – aufgenommen am 1. Juni 2025. Am 3. Dezember 2015 rammte der Frachter „Emsmoon“ die alte Brücke, einen Tag später sprach die Deutsche Bahn vom Totalschaden. In fünf Monaten jährt sich der Unfall zum zehnten Mal. Zehn Jahre Bauzeit für eine Brücke, die es schon gab – ein Trauerspiel für die Region! Foto: Ingo Tonsor @LeserECHO
Wunderline Groningen–Bremen: Inbetriebnahme verzögert sich auf Ende 2025
Herausforderungen im Baugrund, Ressourcenengpässe und hoher Grundwasserstand verzögern Fertigstellung der grenzüberschreitenden Zugstrecke
Die geplante Inbetriebnahme der Wunderline, einer wichtigen grenzüberschreitenden Zugverbindung zwischen Bremen (Deutschland) und Groningen (Niederlande), verschiebt sich auf Ende 2025. Ursprünglich war die Fertigstellung der Strecke für den Sommer 2025 vorgesehen. Grund für die Verzögerung sind vor allem schwierige Bodenverhältnisse, ein hoher Grundwasserstand sowie Engpässe bei Bauressourcen und Fachkräften.
Bauarbeiten durch schwierige Bodenverhältnisse erschwert
Die Bauarbeiten entlang der 173 Kilometer langen Strecke – davon 124 Kilometer auf deutschem Boden – werden stark durch hochstehendes Grundwasser behindert. Dieses verschlechtert die Bodenverhältnisse erheblich, sodass Bautechnologie und Bauplanung angepasst werden mussten. Gleichzeitig erschweren Engpässe bei Großmaschinen, Spezialtiefbauunternehmen und Fachpersonal infolge hoher Bauaktivität in Deutschland die Fortschritte.
Modernisierung bringt Vorteile für Fahrgäste
Trotz der Herausforderungen arbeiten die Deutsche Bahn (DB) und die Provinz Groningen mit Hochdruck daran, die Wunderline fertigzustellen. Die Modernisierung der Strecke soll künftig höhere Streckengeschwindigkeiten ermöglichen und die Reisezeit zwischen Bremen und Groningen deutlich verkürzen.
Bis zur vollständigen Inbetriebnahme bleibt das Ersatzangebot mit Bussen bestehen. Die Deutsche Bahn bittet alle Reisenden um Verständnis für die Verzögerungen und wird über Änderungen und Zwischenlösungen rechtzeitig informieren.
Baufortschritt auf deutscher Seite: Friesenbrücke und Bahnhöfe im Fokus
Auf deutscher Seite ist ein Großteil der Infrastrukturmaßnahmen bereits abgeschlossen:
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Mehrere Brücken, Stützwände und Durchlässe wurden fertiggestellt.
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Der Oberbau (Gleisbauarbeiten) ist weit fortgeschritten.
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Die neue Friesenbrücke bei Ihrhove, ein zentrales Bauwerk über die Ems, kann bereits gleisgebunden erreicht werden.
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Die Friesenbrücke wurde bereits testweise erfolgreich geöffnet und geschlossen – ein wichtiger Meilenstein für das Projekt.
Derzeit wird der Unterbau westlich der Friesenbrücke bearbeitet, sodass bald Gleisschotter eingebracht und Schienen verlegt werden können. Parallel laufen:
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Erneuerung mehrerer Bahnübergänge
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Kabeltiefbauarbeiten
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Installation der Leit- und Sicherungstechnik
Zudem schreiten die Arbeiten an den neuen, barrierefreien Bahnhöfen Bunde und Ihrhove zügig voran. Diese sollen mit der Inbetriebnahme der Wunderline voll nutzbar sein.
Letzte Maßnahmen auf niederländischer Seite geplant
Auch auf niederländischer Seite ist das Projekt weit fortgeschritten. Der Infrastrukturbetreiber ProRail wird voraussichtlich im Spätherbst 2025 die letzten Maßnahmen abschließen. Damit ist der grenzüberschreitende Zugverkehr zwischen Groningen und Bremen auf gutem Weg.
Friesenbrücke bald auch für Rad- und Fußverkehr geöffnet
Neben dem Bahnverkehr ist die Friesenbrücke auch für Fußgänger und Radfahrer von Bedeutung. Die zuständigen Gemeinden bauen derzeit die Zuwegungen für den Rad- und Fußweg aus. Schon im Sommer 2025 sollen Passanten die Brücke über die Ems nutzen können.
Der parallel zu den Bahngleisen verlaufende alte Radweg an der Hilkenborger Straße (Kreisstraße 22) in Westoverledingen muss noch erneuert werden. Er ist Teil der künftigen Radwegverbindung zur Friesenbrücke. Die Aufnahmen zeigen den Bereich an der neuen Eisenbahnbrücke. Fotos vom 1. Juni 2025: Ingo Tonsor / LeserECHO.
Bedeutung der Wunderline für Europa
Die Wunderline ist nicht nur für die Region zwischen Nordwestdeutschland und den Niederlanden von hoher Bedeutung. Sie ist auch ein zentrales Bindeglied im gesamteuropäischen Schienenverkehr, insbesondere auf der Achse Amsterdam – Bremen – Hamburg – Skandinavien.
Die DB und ProRail arbeiten daher weiterhin eng zusammen, um das Projekt erfolgreich abzuschließen. Sollte die finale Abnahme der Strecke planmäßig und ohne größere Mängel verlaufen, ist die Inbetriebnahme für Ende 2025 vorgesehen. Andernfalls wird mit einem Start Anfang 2026 gerechnet.
Die Wunderline kommt – nur später
Die Wunderline steht für moderne, schnelle und klimafreundliche Mobilität zwischen Deutschland und den Niederlanden. Zwar verzögert sich die Inbetriebnahme durch unvorhergesehene Probleme im Baugrund und logistische Engpässe, doch der Großteil der Strecke ist bereits fertiggestellt. Mit einem planmäßigen Verlauf der restlichen Arbeiten wird die Wunderline Ende 2025 den Betrieb aufnehmen – und eine neue Ära im grenzüberschreitenden Bahnverkehr einläuten.
Die Friesenbrücke – Geschichte, Zerstörung und Neubau eines Wahrzeichens
Die Friesenbrücke über die Ems bei Weener verbindet nicht nur Ostfriesland mit den Niederlanden, sondern ist auch ein bedeutendes Bauwerk mit bewegter Geschichte. Am 3. Dezember 2015 ereignete sich ein folgenschwerer Unfall: Der Frachter Emsmoon rammte die geschlossene Eisenbahnbrücke und verursachte dabei einen Totalschaden. Auch der parallel verlaufende Rad- und Fußweg wurde zerstört, sodass eine Überquerung der Ems zwischen Westoverledingen und Weener nicht mehr möglich war. Die Bahnverbindung von Leer nach Groningen wurde unterbrochen, woraufhin ein Schienenersatzverkehr eingerichtet wurde.
Der Neubau der Friesenbrücke begann im Juli 2021 nach einer aufwändigen Planungsphase. Die neue Brücke wird 337 Meter lang und als größte Hub-Drehbrücke Europas ein technisches Meisterwerk darstellen. Das drehbare Mittelteil wird auf der Seite von Westoverledingen errichtet und soll bis Dezember 2024 fertiggestellt sein. Mit ihrer beeindruckenden Technik und modernen Bauweise wird die neue Friesenbrücke voraussichtlich auch ein touristischer Anziehungspunkt werden.
Ein Blick in die Vergangenheit
Die Geschichte der Friesenbrücke reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Am 16. November 1864 unterzeichneten das Königreich Hannover und die Niederlande einen Staatsvertrag zum Bau einer Bahnverbindung. Zwischen 1874 und 1876 entstand daraufhin die erste Friesenbrücke zwischen Hilkenborg und Weener.
Ein dramatischer Zwischenfall ereignete sich in der Nacht vom 26. auf den 27. Juli 1913: Ein Personenzug fuhr auf die geöffnete Brücke zu. Obwohl der Brückenwärter versuchte, die Brücke rechtzeitig zu schließen, gelang dies nicht vollständig. Der Zug bremste, doch die Lokomotive hing über der Öffnung – nur durch eine verklemmte Kupplung und die Waggons wurde ein Absturz verhindert.
Auch in den folgenden Jahren blieb die Brücke nicht von Schäden verschont. 1922 kollidierte der Zweitmastdampfer Hohefelde mit der Brücke, wodurch der Verkehr für vier Wochen unterbrochen werden musste. Zwischen 1924 und 1926 wurde schließlich eine neue Klappbrücke mit einem eigenen Fuß- und Radweg gebaut, begleitet vom Bau des Wärterhauses.
Im April 1945, gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, wurde die Brücke von deutschen Soldaten gesprengt, um den Vormarsch kanadischer Truppen zu behindern. In dieser Zeit gewann die einfache, mit einem Seil gezogene Emsfähre vorübergehend wieder an Bedeutung.
Nach rund einjähriger Bauzeit konnte die Brücke am 18. Mai 1951 erneut feierlich eröffnet werden. Mit 335 Metern Länge verband sie wieder Leer mit dem niederländischen Groningen – eine bedeutende Verkehrsachse für Bahn, Radfahrer und Fußgänger gleichermaßen.
AnzeigeAnmerkung der Redaktion
Die folgende Darstellung eines historischen Brückenbaus ist rein zufällig und hat selbstverständlich nichts mit aktuellen Infrastrukturprojekten in Deutschland zu tun. Jegliche Ähnlichkeit mit echten Verzögerungen, Planungsschleifen oder plötzlich entdecktem Grundwasser ist rein konstruktionsbedingt.
Natürlich kann man die Golden Gate Bridge in San Francisco nicht mit der neuen Friesenbrücke im ostfriesischen Weener vergleichen – wirklich nicht. Während die eine sich majestätisch über das Golden Gate spannt, verbindet die andere Ihrhove mit Weener – was regional nicht weniger wichtig ist, versteht sich. Und doch… der Vergleich drängt sich ganz unfreiwillig auf.
Die Golden Gate Bridge wurde 1933 gebaut – ohne digitale Bauplanung, ohne EU-Vergaberichtlinie, dafür mit jeder Menge Stahl, Strömung und Sturm. Sie ist knapp 2,8 Kilometer lang, wiegt fast 900.000 Tonnen und galt zur Fertigstellung 1937 als technisches Weltwunder. Die Bauzeit: gut vier Jahre. Mitten in der Weltwirtschaftskrise. Ohne Zoom-Meetings.
Die neue Friesenbrücke an der Ems – rund 160 Meter lang – wird seit 2016 neu gebaut, nachdem ein Frachter sie versehentlich “abgeräumt” hatte. Die Bauzeit: voraussichtlich bis Ende 2025. Das ergibt fast ein Jahrzehnt – für eine Brücke, die im Prinzip schon einmal da war. Natürlich gab es hierzulande ganz andere Herausforderungen: Grundwasser, Bodengutachten, Maschinenmangel, Ausschreibungsverfahren, Wetter – und vermutlich auch ein bisschen Bürokratie.
Golden Gate Bridge: Jahrhundertbauwerk in Rekordzeit – ein Vergleich, der weh tut
Während in Deutschland die neue Friesenbrücke fast zehn Jahre nach ihrer Zerstörung durch das Frachtschiff Emsmoon noch immer nicht fertiggestellt ist, erinnert ein Blick nach Kalifornien an das Gegenteil: den Bau eines Weltwunders in Rekordzeit.
Die Golden Gate Bridge in San Francisco gilt bis heute als technische Meisterleistung. Am 5. Januar 1933 wurde der Baubeginn gefeiert – trotz weltwirtschaftlicher Krise. Bereits am 19. April 1937, also nur etwas mehr als vier Jahre später, war die Brücke fertig – unter Budget und vor dem Zeitplan.
Die Dimensionen waren gewaltig: Die höchsten Pfeiler ihrer Zeit (227 Meter), das längste Hängebrückenspannfeld (1.280 Meter) und Kabel mit 92 cm Durchmesser, in denen mehr als 27.000 Drähte pro Kabel verbaut wurden. Allein für die südlichen Fundamente mussten Konstrukteure in den von Strömungen geprägten Gewässern des Golden Gate unter extremen Bedingungen arbeiten. Dennoch schritt der Bau mit unglaublicher Präzision voran.
Die Stahlelemente der Brücke wurden quer durchs Land transportiert, über den Panamakanal verschifft und schließlich vor Ort montiert – mithilfe einer logistischen Meisterleistung. Die Kabel wurden im aufwendigen Luftspinnverfahren installiert, ein Verfahren, das in San Francisco in nur sechs Monaten abgeschlossen wurde – und damals als bahnbrechend galt.
Am 28. Mai 1937 eröffnete US-Präsident Franklin D. Roosevelt die Brücke feierlich per Telegrafensignal aus dem Weißen Haus. Bereits am Vortag hatten 200.000 Fußgänger die Gelegenheit genutzt, die Brücke erstmals zu betreten.
Mit einem Gesamtgewicht von 887.000 Tonnen, 600.000 Nieten pro Turm und einer unvergleichlichen Symbolkraft steht die Golden Gate Bridge heute als Ikone für Fortschritt, Mut und Ingenieurskunst – und erinnert schmerzhaft daran, wie lange sich Infrastrukturprojekte anderswo ziehen können.
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